Baltische Fabelwesen

Götter gibt es viele im alten Baltikum. Hauptsächlich Götter der Erde und der Elemente, die Vielerorts verehrt wurden. Durch die Durchmischung der vielen Völker im Balikum ist es aber schwer (und war es schon immer), Götter bestimmten Stämmen oder Völkern zuzuweisen. So gab es ein ständiges Wandern aus Finnland, Estland, Litauen, Deutschland, Polen, Russland, Preussen und mehr (die Länder hießen natürlich seinerzeit anders und die Grenzen bewegten sich ständig) und die Geschichten wurden meist nur mündlich weitergegeben. Schriftliche Aufzeichnungen sind rar und widersprechen sich oftmals. Nicht nur in der Bedeutung, sondern auch in der Namensgebung. Viele Chronisten waren der jeweiligen Landessprache (Litauisch, Kurisch, Prussisch uvm.) gar nicht mächtig und schrieben es lautmäßig wider.

Doch gibt es nicht nur zahlreiche Götter, sondern auch andere Fabelwesen, die tagtäglich im Volk weiterlebten. Viele dieser Fabelwesen sind auch Heute noch in Liedern, Gedichten oder Märchen zu finden. Und einige haben die Reise in andere Länder mitgemacht und sind auch dort heimisch geworden. Fangen wir mit einem Beispiel der Prussen an.

Der Puschkait

Puschkait

Eigentlich ist der Puschkait der prussische Erdgott. Ein Gnom, der unter Holunderbüschen wohnt. Das kleine Erdmännchen hilft den Menschen und lebt auch gerne in deren Häuser. Gleichzeitig ist er aber auch der Herrscher und Gott der

Die Barstukken

Barstukken

Die Barstukken sind kleine Wichtelmännchen und gute Hausgeister. Sie sind die Diener und Gehilfen des Puschkait. Nachts helfen sie den Menschen bei ihrer Hausarbeit, räumen auf oder reinigen die Wohnung.

In Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853 findet sich folgender Eintrag: „In der Stadt Rastenburg und bei derselben gibt es auch Zwergmännlein, die führen dort den seltsamen Namen Barstukken, auch Fingerlinge, und die sind nicht so böse als die andern, die weiter nordwärts hausen. Sie wohnen vornehmlich in einem Hügel bei dem Dorfe Heiligelinde, wo in den Heidenzeiten eine übergroße Linde gestanden haben soll, unter welcher nach dem Volksbrauch die Götter verehrt wurden.Die Barstukken erscheinen als gute und hilfreiche Hausgeister, welche bei Kranken wachen, wenn die Wächter schlummern, besonders bei Mondschein. Denen sie gütig gesinnt sind, denen schleppen sie zu, was sie von denen nehmen, die sich nicht hold gegen sie beweisen. Man mußte ihnen ein sauberes Tischchen decken und darauf einfache Kost stellen, Brot, Butter, Käse, Bier, Milch, damit waren sie zufrieden und verzehrten es. Blieb alles unberührt, so war das kein gutes Zeichen, dann wollten die Barstukken nichts mehr von dem Hausbesitzer wissen und taten für das Gesinde keine Arbeit mehr. Die Barstukken, auch Berstuken genannt, hatten einen Gott über sich, der hieß Puschkait. Seine und ihre Wohnung war unter Holunderbüschen.“

Quelle: Wikipedia

In Deutschland sind eher die Wichtelmännchen bekannt, mit Mützen und Bart, wie man sie als Gartenzwerge darstellt. 1812 veröffentlichten die Gebrüder Grimm erstmals das Märchen über diese Hilfsgeister in ihrem Buch über Kinder- und Hausmärchen. Ob die Hausgeister aus dem Baltikum übernommen wurden, oder eine eigene Geschichte haben, ist mir nicht bekannt.

Kommen wir zu den reinen baltischen Wesen und schauen uns zuerst die Kobolde des Nordens an. Im littauischen ebenso bekannt, wie in anderen Volksstämmen.

Der Kaukas

Der baltisch/littauische Kobold wird bei den Prussen auch „Cawx“ und im Niederdeutschen „Tufel“ genannt. Im Deutschen ist auch der Begriff „Puck“ bekannt. Durch die weite Verbreitung werden ihm widersprüchliche Eigenschaften zugesprochen. Meist wird er als kleines buckliges Männchen beschrieben, kann aber auch das Aussehen eines Säuglings haben. Sie sind Pflanzendämone, die normalerweise unter einem Hügel leben. Die Kaukas, oder auch Kaukai, sind im Grunde gutartige Wesen die ihren Menschen helfen und Reichtum bescheren. Die Ernte wird gut und das Heim ist gesegnet. Aber wenn sie beleidigt oder gedemütigt werden, können sie sich rächen und den Hof verlassen! Sie sollten natürlich von ihren Menschen ernährt werden, damit sie ihnen Gutes tun können. Wenn dies nicht eingehalten wird, dann können sie auch böse werden! Dann ist man in seinem Haus nicht mehr sicher. Schon 1547 wird im ersten litauischen Buch erwähnt, dass man vom Kaukas ablassen soll.

Wie kommt man zu einem Kaukas? Den Überlieferung nach kann man einen Hahn- oder Eberhoden ausbrüten lassen, woraus der Kaukas entsteht. Aber man kann ihn auch mit Geschenken überzeugen, wenn man einen antrifft und ihn damit zwingen im eigenen Heim zu leben. Aber auch die Seelen verstorbener Kinder oder ungetaufter Säuglinge können in einen Kaukas übergehen.

Doch der Kaukas ist nicht allein. Es gibt einen gegensätzlichen Partner in der Fabelwelt:

Der Aitvaras

Die Aitvaras werden aus dem Ei eines siebenjährigen Hahnes oder aus dem Hoden eines schwarzen Hengstes ausgebrütet. Man kann ihn auch mit Eierspeisen anlocken. Wie auch der Kaukas bringt er seinem Herren Glück und Reichtum. Doch das Getreide, welches er bringt, ist oft vom Nachbarn gestohlen. Sollte man ihn ärgern oder erzürnen, kann es sein, dass er das Haus niederbrennt! Man sollte sich also immer gut mit dem Aitavas stehen. Auch der Aitvaras wurde erstmals 1547 im ersten Buch der Litauer von Martynas Mazvydas beschrieben.

Der Aitvaras ist ein Feuerwesen und bewegt sich meist fliegend und kriegend. Doch er kann im Gegensatz zum Kaukas sein Aussehen verändern! Einerseits wird er als Dämon beschrieben und andererseits hat er Ähnlichkeit zum Elf. Im litauischen wird er mit Drache oder auch der Schlange verglichen. Ein Kinderspielzeug in Form eines Drachen heißt im litauischen ebenfalls Aitvaras.

Der Lauma

Laumas (oder auch Laumen) sind kleine feenhafte Wesen, die manchmal in Vogelgestalt auftreten. Oft sollen sie auch Vogelfüße haben. Die beliebten Feen werden auch „heilige Jungfrauen“ genannt, die ihrer Schicksalsgöttin Laima folgen. Wohlgesinnten beschenken sie mit Gold und Edelsteine, böse und faule Menschen bekommen nur Sand und Steine. So findet ein fleißiger und braver Bernsteinfischer mehr der begehrten Steine in seinem Netz, wohingegen andere nur Tang und Treibgut finden, sosehr sie sich auch bemühen.

Die Laumen sind im Grunde hilfreich den Menschen gegenüber. Sie spinnen, weben, waschen oder helfen im Haushalt. Das machen sie natürlich im verborgenen, wenn Alle schlafen oder außer Haus sind. Doch mal sollte sich von der Feengestalt nicht täuschen lassen! Sie können auch ganz anders!

Faule und böse Frauen werden von ihnen bestraft. Sie scheren des Nachts von den Schafen die Wolle ab und stehlen sie. Bei den Pferden verwirren sie die Mähne, die mühsam wieder in Ordnung gebracht werden muss. Oder sie melken einfach die Kühe leer und die Familie muss hungern. Im allerschlimmsten Fall töten sie sogar deren Kinder und essen sie auf!

Männern zeigen sie sich gerne als schöne nackte Frauen mit üppigen Busen. Sie leben der nähe von Gewässern und waschen an den Ufern ihre Wäsche. Es gibt kaum einen Mann, der ihnen widerstehen kann.

Sollte ein Mann das Glück haben, solch eine Lauma bezirzen zu können und dann heiraten, bekommt er eine brave und gute Frau. Schenkt sie ihm dann noch Kinder, wird sie eine besonders gute Mutter. Doch leider dauert solch eine Ehe nicht lange.

Aber Männer, die die Laumas narren wollen, hetzen sie zu Tode! Deshalb muss man immer vorsichtig im Wald, bzw an Gewässern sein, wo sie erscheinen können.

Im Litauischen nennt man den Regenbogen auch „Laumes Schärpe“, die blaue Libelle ist „Laumes Pferd“. Die Mistel ist „Laumes Besen“, welche im Deutschen auch „Hexenbesen“ genannt wird.

Kommen wir am Schluß zu einem besonderen Wesen, welches eine Sonderstellung einnimmt:

Die Hexe Ragana

Ragana ist das littauische und lettische Wort für „Hexe“. Sie ist eine böswillige weibliche Figur in der baltischen Mythologie. Manche Eigenschaften verbindet sie aber auch mit den eher wohlgesonnenen Laumas. So werden dessen Boshaftigkeiten oft der Hexe Ragana zugesprochen. Vielleicht werden diese auch von der Hexe manipuliert? Denn in einigen Erzählungen werden die Verhaltensweisen in der Figur „Laume-Ragana“ zusammengefaßt.

In europäischen Ländern sind Hexen bekanntermaßen alte, häßliche Frauen. Sie brauen Tränke, verzaubern ihre Gegner und manipulieren Jedermann zu ihrem Gunsten – auch gegen Bezahlung oder Gegenleistungen. Die bösen Hexen tauchen in unzähligen Märchen und Sagen auf. Im Mittelalter wurden sogar Frauen verfolgt und der Hexerei bezichtigt – und verbrannt!

Ragana ist zwar böse wie die hässlichen Vetteln, jedoch ist sie eine schöne Hexe, beschrieben im alten lettischen Märchen „Der Bärenreißer“. Sie ist mystischer als das europäische Pendant und hat übermenschliche Kräfte.

Auch Ragana ist, wie z.B. auch die Hexe in dem Grimm-Märchen „Hänsel und Gretel“, kanibalistisch und neigt dazu, Kinder zu entführen! So manches Kind ist im Wald oder Wasser verschwunden und tauchte nie wieder auf. Man erzählt sich, dass Ragana am Werk war. Deshalb sollte man immer auf seine Kinder achten, bevor Ragana sie holt!

Ragana findet man auf dem schnellsten Weg, indem man in einen Hexenbrunnen fällt. Der Brunnen sieht natürlich ganz normal aus und gibt sein zauberhaftes Geheimnis erst preis, wenn es für das Opfer zu spät ist. Ist es nämlich kein Hexenbrunnen, fällt man einfach auf den Grund. Viele Abenteurer auf der Suche nach dem kurzen Weg sind stattdessen elend in einem Brunnen verendet.

Oder man geht ganz tief in den Wald, fernab von Wegen und Pfaden. Dort sucht man ihr Heim, welches versteckt vor neugierigen Augen ist. In einem Nebel umwobenen dunklen Schloss wird man fündig, sofern man es überhaupt zwischen den dunklen Bäumen und Ästen sieht. Dort im Schloss herrscht sie widerspruchslos über alle Lebewesen und hat die absolute Macht.

Man kennt auch Hierzulande den Hexentanz auf Hügeln. Diesen begeht die schöne Hexe natürlich auch. Ganz besonders zu den Kalenderfesten der Johannisnacht, wie Winter- und Sommer-Sonnenwende, Ostern oder Weihnachten. Noch Heute werden im Baltikum an besagten Tagen Feste gefeiert. Dort findet man oftmals auch das Zeichen der Ragana, direkt in Nachbarschaft der Göttersymbole.

Es heißt, dass ragana von (lit.) regėti ’sehen, wahrnehmen‘ abgeleitet wurde und diese daher in der heidnischen Religion einst eine Seherin war. Entsprechend wird Ragana als Selbstbezeichnung von Wicca Hexenzirkeln verwendet.