Vor sehr langer Zeit, noch bevor Wodan der Höchste der Götter wurde da glaubten die Menschen an den Himmelsgott und Himmelsvater Tiwaz, den sie Tiewas nannten. Er war der Erste unter den Göttern die man damals noch Ansen nannte, die wir heute als Asen kennen. Auch anstelle von der Göttin Frick und Frija glaubten sie an die Erdgöttin Erce, die man Erke nannte.
Damals waren die Winter noch viel länger, dunkler und kälter. Die Mächte der Kälte und der Finsternis aus dem grausigen Riesen-Land hielten die Erde mit ihren eisigen und lebensfeindlichen Griff gefangen so das die Erde im ewigen Todes-Schlaf verharren musste. Aber immer wenn es unerträglich wurde und der dunkle Winter nie wieder weichen wollte, da machte sich Tiewas auf dem Weg den Mächten der Kälte und der Finsternis entgegen zu treten, um sie zu bekämpfen und sie zu vertreiben.
So stieg Er langsam vom Himmel herab und das Licht und die Wärme folgten Ihm zögerlich.
Er nahm den Kampf mit den Riesen auf die sich schon wie so oft als Gewinner glaubten weil sich einfach alles in der geschaffenen Welt vor ihnen fürchtete, aber Tiewas kannte keine Furcht.
Er kämpfte wie immer Eisern und Kühn so daß am Ende alles vor Ihm und seinem Licht weichen mußte. Die Kreaturen der Nacht zogen sich in die Unterwelt zurück und die Riesen flüchteten wieder ins Riesen-Land zurück und sie verließen die Welt der Menschen wenn Tiewas mit dem Sonnenlicht nahte.
Das erste Grün in der Natur verkündete die Ankunft des Himmelsvaters Tiewas. Erst dann erwachte die Erdgöttin Erke und vermochte sich vom eisigen Todes-Schlaf zu befreien. Dann bestieg sie ihren festlich geschmückten Wagen und fuhr damit durch daß ganze Land um Tiewas entgegen zu kommen und Ihn freudig zu begrüßen. Und wenn sie sich begegneten und sich in die Arme schlossen dann erwachte die gesamte Natur und der Frühling begann. Die Menschen feierten damals ihre Vermählung mit großen Mai-Feuern und den Frühlings Festen. Aber das ist schon sehr lange her, denn Jahrhunderte später hatten die Menschen ihren einstigen Himmelsvater Tiewas und ihre Erdgöttin Erke schon längst vergessen und an ihrer Stelle traten Wodan und Frija.
Seit dem fuhr die Erdgöttin nur noch alleine durch daß Land und fährt die alten Wege entlang wo sie einst ihren Retter Tiewas traf. Entschwunden war die glückliche Zeit. Die Menschen nannten sie später Frau Harke und sie wurde noch oft an ihren einstigen Heiligtümern alleine gesehen, bis sie auch dort für immer verschwand. Seit dem sagen die Menschen sie sei für immer fort gezogen und hätte ihr Land für immer verlassen.
Aber nicht nur sie ist seit dem allein und vergessen. Auch von Tiewas klang keine Sage mehr und seitdem wurde Er auch der Einsame und Vergessene Gott genannt. So heißt es in den Baltischen Versen der Dainas wo man Ihn Dievas(Diewas) nennt:
„Oh Dievas, was wirst du tun, wenn alles vergeht?
Hast weder Vater noch Mutter, noch eine Braut an deiner Seite.“
Quellen: Paul Herrmann – Deutsche Mythologie,
Kapitel: Tius.
Klaus Börner – Sagen und Geschichten aus dem Elbe-Havel-Gebiet, Kapitel Kamern, Sagen über Frau Harke, Wie Frau Harke einen helfenden Stellmacher belohnte, Frau Harkes Flucht über die Elbe.
Jonas Trinkunas – Rasa Götter und Rituale des Baltischen Heidentums, Kapitel: Dievas, Gott Dievs.
Gesammelt,überarbeitet,vervollständigt und rekonstruiert von Björn Dieckmann.