Perkunos

Perkunos ist einer, wenn nicht gar der wichtigste Gott der Balten und Anrainerstaaten! Unter zahlreichen Namen ist er bekannt und wird teilweise sogar bis in die Neuzeit verehrt. Ob bei den Preußen, den Letten oder Kuren – er steht fast überall an der Spitze der anbetungswürdigen Götter. Das Zeichen des Donnergottes ist Vielerorts anzutreffen. Der Name wird in vielen Sprach- und Schreibweisen folgendermaßen dargestellt:
Perkunos, lett. Pērkons, lit. Perkūnas, Altprussisch Percunis für „Donner“, deutsch Perkun, Perkunas, (kurisch pêrkuon „Gewitter“ pêrkuons „Donner“), Perkunust, Perkuhnost, Perkūnos, um nur die gebräuchlichsten zu nennen. Und auch 1874 im Wörterbuch der Mythologie von Wilhelm Vollmer wird er „Perkunos“ genannt.

1861 schrieb man folgenden Text in das Altenburger Universallexikon: „Perkūnos, bei den Preußen, Wenden/Slawen (Perkunust) u. Letten (Perkuhnos) der oberste Gott, Gott des Donners und Feuers, Spender des Sonnenscheins und Regens, der Gesundheit und Hilfsgott der Kranken. Am Abende nahm den staubigen und müden Perkunos die Gewittergöttin „Perkuna Tete“ in ihrem Bade auf und ließ ihn am anderen Morgen sauber und frisch seine Sonnenbahn machen. Dem Perkunos zu Ehren brannte vor der heiligen Eiche zu Romowe ein ewiges Feuer aus Eichenholz, dessen Asche als Heilmittel galt. Perkunos tat seinen Willen den Priestern durch den Donner kund, auf glückliche Verheißungen folgten fröhliche Gelage und Opfer von Rossen und Rindern, auch von gefangenen Feinden. Genesene brachten ihm Dankopfer. Abgebildet wurde er an der Brust mit einer Pflugschar, das Haupt mit 12 Strahlen umgeben.“

Perkunos gehört zum Heidentum der Balten, welches leider nur sehr lückenhaft weitergegeben wurde. Das größte Problem (gilt natürlich für die gesamte baltische Geschichte!) ist, dass kaum etwas schriftlich niedergelegt ist. Die wenigen Dokumente sind von Priestern aus der Zeit der Christianisierung überliefert, sowie einigen wenigen Runeninschriften von Nordmännern. Und selbst die schriftlichen Hinterlassenschaften sind oft erfunden, da (christliche) Chronisten bei ihren Herrschern in einem guten Licht stehen wollten. Es wurde schamlos übertrieben oder hinzugefügt. Bischof Christian von Preußen/Oliva (1180-1245) und Simon Grunau (1470-1530) oder Chronist Peter von Dusburg (14.Jh) sind eine der wenigen Überlieferer. Wobei gerade die Niederschriften von S. Grunau wissenschaftlich als erfunden gehandelt werden. Die Balten selber hatten bis ins Mittelalter keine eigene Schrift und überlieferten die Gesänge, Sagen und Bräuche nur mündlich. Auch Heute widersprechen sich einige Autoren in ihren Werken, da die Quellen meist unterschiedlich sind. Je nach Land (Lettland, Litauen, Ostpreußen, Prussen, Polen uvm), Alter und schriftlicher Quelle unterscheiden sich die Geschichten und auch die direkten Namen, welches unterschiedliche Schreibweisen zeigen.

Da das baltische Heidentum eine NATURRELIGION war, hatte man auch keine Kirchen. Die Götter wurden vor Ort in der Hütte, im Wald oder Kultstätten (z.B. Romowe/Vilnius oder Rambynas/Memel) verehrt. Dies als Vorabinfo zu diesem Beitrag. Da das Heidentum so wenig überliefert ist, muss man viele Quellen zu Rate ziehen und Gemeinsamkeiten überprüfen. Mein Beitrag hat nicht den Anspruch der Vollständigkeit, sowie der absoluten Wahrheit. Man kann nur das bearbeiten, was Forscher und Chronisten weiter- und wiedergegeben haben. Einige Quellen: Wikipedia deutsch/englisch/lettisch/litauisch, historische Lexika, Autoren Marija Gimbutus, Jonas Trinkunas, Vaita Vike-Freiberga, Beate Szillis-Kappelhoff uvm. Da es unterschiedlichste Schreibweisen der Orts- und Götternamen gibt, beziehe ich mich auf die gebräuchlichste im Baltikum, vornehmlich im Gebiet der Kurischen Nehrung und der Memel. Ein Beispiel sei hier der Eintrag auf Wikipedia:
Pērkons (lett. Pērkons, lit. Perkūnas, altpruss. Percunis „Donner“), deutsch Perkun, ist ein baltischer Himmels- und Gewittergott und findet mitunter auch als Bezeichnung des Gewitters Verwendung. Das altpreußische Wort percunis erscheint nur im Elbinger Vokabular und wird mit „Donner“ übersetzt, eine mythisch, religiöse Bedeutung ist unbelegt. Perkūnas ist eine der am häufigsten erwähnten Figuren des baltischen Pantheons und ist auch heute gemeinhin bekannt. In den neuheidnischen Bewegungen hat Perkūnas eine wichtige Rolle inne.“

PERKUN, Donnergott des Baltikums

PERKUNOS, Donnergott der Balten, war das Haupt der göttlichen Trias. Diese bestand aus Perkunos dem Götterkönig, POTRIMPOS dem Glücksgott sowie PATOLOS (Velnias) dem Todesgott. Perkunos wird als sehr kräftiger und großer, ernster Mann beschrieben. Besonders sein roter Bart sticht hervor, teilweise wird sein Gesicht „feuerfarbig angestrichen“ beschrieben oder dass sein Haupt eine „Feuergarbe“ (brennender Kranz) krönt (Vollmer Mythologie von 1874). Letzteres wird aber selten beschrieben.
Gott der Gerechtigkeit, verehrt von jung und alt, eine ehrfurchtsgebietende Gestalt, die Ungerechte züchtigt. Sein ewiger Widersacher ist der Todesgott VELINAS/VELNIAS (Velnias ist der christliche Teufel, den es im Baltikum nicht gab).

Perkunos ist der Befruchtet der Erde, welcher in einem flammenden (Streit-)Wagen von einem Ziegenbock über einen Steinhügel (dem Himmel) gezogen wird. Das Gepolter des Wagens verursacht den Donner! Als einziger Gott trug er auch Waffen mit sich. Diese waren eine doppelköpfige Axt (symbolisiert schöpferisch und zerstörerisch) und ein Bogen. Damit verschoss er brennende Pfeile nicht zum töten, vielmehr vermittelte er dem Leben der Menschen und Pflanzen ihre Fruchtbarkeit. Gegenstände und Menschen, die davon getroffen wurden, besaßen entweder Heilkräfte oder waren besonders fruchtbar.

PERKUN mit seinem gewaltigen Bock

Perkunos hatte auch Begleiter. Überliefert sind die Taube und ein „geschopfter Vogel“ (wahrscheinlich Widehopf). Auch nahm er selber gern die Gestalt eines Stieres oder Ziegenbocks an. Diese Tiere waren heilig und eine Berührung mit ihnen versprach Heilung, Fruchtbarkeit oder Hilfe.

Der erste Donner des Jahres erschütterte die Erde und brachte Reinigung durch Regen. Es war verboten, vor dem ersten Donner den Boden zu bestellen. Denn der Donner und Regen erwachte die Erde zum Leben. Lag der erste Donner vor Ostern, war es schlecht. War er dahinter, waren die Menschen frohen Mutes über eine reiche Ernte.
Donnerstag ist natürlich der Tag des Perkunos und man sollte ein Feuer entzünden, zumindest eine Wachskerze namens „Grauduline“ oder „Perkunine“. Dies wird heutzutage noch in Litauen praktiziert. Am 2. Februar prozessiert man zu Ehren Perkunos mit einer um einen Ast gedrehten Leinenkerze. Weitere Feiertage sind Wintersonnenwende, Frühlingsanfang, Fasching, Ostern, die erste Blüte, Feuertag am 24. Juni, Perkunastag am 29. Juni und 1. Oktober.

Das wichtigste Symbol für Perkunos ist das geneigte Kreuz (X), auch keltisches oder heidnisches Kreuz genannt. Es kommt in vielen Formen vor und wird ihm zu Ehren als Schmuck oder Webmuster in Kleidung getragen. Auch mit 12 Strahlen (jeweils 3) an den Enden oder als Hakenkreuz, welches man auch als altertümliches Fensterornament oder auf Schöpflöffeln fand.

Sein Baum war die Eiche, besonders eine solche, die durch Mistelbewuchs immergrün war. Hier wurden ein ewig brennende Feuer aus geheiligtem Buchenholz unterhalten. Wenn die Flamme erlosch, mußte man an einer Eiche mit einem grauen Stein so lange reiben, bis die Rinde zu glimmen begann und ein neues Feuer entfacht werden konnte.
Wenn eine Braut das mütterliche Haus verließ, nahm sie ein paar brennende Holzscheite mit ins neue Heim. Frauen waren die Hüterinnen des Feuers im Hause. Diese „Feuermutter“ hieß im litauischen Gabija. Im Memelland behielt Perkunos seine göttliche Stellung bis in die Neuzeit bei, und wenn sich der christliche Pfarrer gar nicht mehr zu helfen wußte und die Androhung kirchlicher Strafen nichts mehr nützte, dann drohte er in seiner Not mit Perkunos…und hatte Erfolg damit.

Vor allen aber wurden ihm grosse Opfer nach Romowe/Romehnen im Samland gebracht. Die heiligen Haine mit einer großen Eiche waren das Heiligtum. Der litauische Herrscher Gediminas (1275) errichtete den wichtigsten Perkunas-Tempel in Vilnius.
Die heiligen Haine hießen Romowe, wobei der angesehenste der in Samland oder Nadraunen war. In denselben wohnte der Oberpriester Griwe (Criwe, Kriwe, Grivaito), und sie durften von Laien nicht betreten werden. Der Griwe war der oberste Verweser von allem, was Götterdienst betraf. Er unterhielt den drei Obergöttern ein ewiges Feuer bei der heiligen Eiche, versammelte hier das Volk, tat demselben die Beschlüsse der Götter kund und sprach Recht. Seine Würde war lebenslänglich, aber nicht erblich. Er wurde von den anderen Priestern gewählt, erhielt von aller Beute den dritten Teil und lebte ehelos. Die Unterpriester (Waidelotten, Waidels, das sind Wissende, Seher) waren einzelnen Gottheiten zugeteilt und lebten ebenfalls ehelos.
Die höchsten waren:
Die Griwaiten, mit welchen der Griwe die Gerichtsbarkeit übte.
Die Siggonen oder Siggonoten (Segensspender), welche um die Romowe’s wohnten, und die Wurskaiten. 
Ferner die Ligassonen oder Tulissonen, welche die Festlichkeiten zu Ehren der Toten veranstalteten und deren Lob verkündigten.
Puttonen, welche aus dem Schaum des Wassers weissagten.
Pustonen, welche Wunden u. Ausschläge durch ihren Hauch heilten.
Burtonen, Saitonen, Swakonen etc. Es gab auch Priesterinnen.

PERKUNOS mit seinen Ziegenböcken

Vor der grossen Eiche wurde Perkunos zu Ehren ein ewiges Feuer aus geheiligtem Buchenholz erhalten. Der Priester, welcher es verlöschen liess, musste, gleich den Vestalinnen in Rom, mit dem Tode büssen! In solchem Unglücksfall war es schwer, heiliges Feuer zu erhalten, es musste harten Kieseln entlockt werden. Hatte man dasselbe, so krochen die Priester, auf dem Bauche liegend, zur heiligen Eiche, entzündeten das Holz auf dem Altar, und der fahrlässige Priester war das erste Opfer, welches in die Flammen geworfen wurde!
Der Donner war Perkunos Sprache. Bei einem Gewitter fiel alles Volk auf die Knie, schlug mit der Stirne den Boden und rief: „Gott Perkunos, erbarme dich unser!“
Hatte der Gott mit dem Griwe geredet und hatte dieser Glück verkündet, so erfolgten fröhliche Gastgelage. Und reiche Opfer fielen ihm dann an dem heiligen Feuer. Rosse, Rinder und gefangene Krieger.
Ein durch einen Blitzstrahl erschlagener Priester heiligte denselben. Ein so Getöteter war in die Gemeinschaft der Götter aufgenommen. Daher hatten die Oberpriester keinen höheren Wunsch als den, durch des Gottes Blitzstrahl zu sterben. Doch nicht bloss dieser, sondern jede Erscheinung am Himmel überhaupt ging von ihm aus: Regen und Schnee, Sonne und Sturmwind dankten ihm ihre Entstehung.

Der gewöhnliche Gottesdienst bestand in der Unterhaltung des ewigen Feuers für Perkunos, dem Hauptgott. Potrimpos wurde eine Schlange (Ringelnatter) geweiht und gepflegt. Die Feste der Preußen/Heiden waren Naturfeste. Das erste war das Frühlingsfest am 22. März, dem Pergubrios (Frühlingsgott der Blüte) geweihet, an welchem dieser Gott um Segen für das Gedeihen der Früchte angerufen wurde. Dabei trank man Bier und tanzte. Bei Anfang der Ernte wurde noch das Fest Zazinck gefeiert, wobei die Männer Bier, die Weiber Brot opferten. Nach derselben wurde das Fest Ozinek gefeiert, wobei das mit Ähren geschmückte Bild des Curche (Kurke, Kurkis, Kurcho, Churche, Korche, Chorcho, Gabjauija, Erntegott) auf einer Stange umhergetragen wurde.
Die Bockheiligung nach der Ernte geschah unter Auflegung der Hände der Priester und unter Anrufung der Götter. Dann wurde das Blut des geschlachteten Bockes umhergesprengt. Es wurde besonders von den Sudauern (Litauer) gefeiert und war ein Sühnefest. Nach dem Opfer wurde geschmaust und gezecht und zuletzt die Überreste des Opfers begraben.
Bei der Schweinsweihe wurde ebenso verfahren.
Bei den Totenfeierlichkeiten wurde eine Mahlzeit gehalten, wobei ohne zu reden gegessen und ein Teil der Speisen mit Getränk übergossen auf die Erde geworfen wurde. Die Opfer bestanden in Früchten und Tieren, besonders Pferden.
Dem Pikollos (Patolos/Velnias) opferte man neben Tieren auch Menschen, z.B. vor dem Kriege, wo man einen Feind zu fangen suchte, welchen der Griwe erstach und aus dem Blutlauf den glücklichen oder unglücklichen Ausgang des Kriegs weissagte.
Dem Potrimpos (Glücksgott) opferte man Kinder, Getreide u. Weihrauch.
Dem Curche (Erntegott) die Erstlinge von Früchten u. Fischen.
Dem Perdoyt (Perdoitos, Perdoutus, Bardoayts, Gott des Fischfangs, Handel, Kauf- und Schiffsleute) im Samland Fische
Und den Barstukken (prussische Hausgeister) bzw Laumen (baltische Hausgeister) setzte man allerlei Speisen u. andere Dinge vor, um Segen für das Haus zu erhalten. (vgl. Mone, Geschichte des nordischen Heidenthums I., S. 79 ff.)

Perkunos scheint dem skandinavischen Gott Thor zu gleichen, doch ist die völlige Übereinstimmung beider Gottheiten nicht nachzuweisen. Als Spender der Gesundheit, als Hilfsgott in Krankheiten wurde Perkunos angerufen. Gelübde und Dankopfer brachte man Perkunos für sich und Andere bei gefährlichen Fällen. Heilig, wie die Asche von seinem heiligen Feuer, waren ihm mehrere Gewässer geweiht und seinen Namen tragen Seen, von deren man noch jetzt vier kennt.