Kurische Sprache

  1. Sprache und ihre Sprecher

Das Kurische ist eine baltische Sprache, die zu Beginn der Neuzeit ausstarb. Im Unterschied zum westbaltischen Altpreußisch (Pruzzisch), das aus Inschriften bekannt ist und von dem Wortsammlungen angelegt wurden, ist vom Kurischen nur Namenmaterial überliefert. Aus mittelalterlichen Urkunden und Chroniken der Ostseeländer geht hervor, dass die Kuren ein selbständiger baltischer Volksstamm waren. Die Kuren werden u. a. Ende des 12. Jh. in den Gesta Danorum des dänischen Chronisten Saxo Grammaticus und im Chronicon Livoniae Heinrichs von Lettland erwähnt. Der Name der Halbinsel Kurland westlich der Rigaer Bucht erinnert an jene Bevölkerung. Die Kuren waren wahrscheinlich am Ostseehandel der Hanse im Mittelalter beteiligt. Das Kurische ist in Litauen im Verlauf des 16. Jh. ausgestorben.

Das Siedlungsgebiet der Kuren lag in der Übergangszone zwischen den baltischen Stämmen Lettlands und denen Litauens. Die Kuren gehören zu den Volksgruppen des mittleren Baltikums, die an der Ethno- genese der Letten beteiligt waren. Die anderen baltischen Stämme der lettischen Konvergenzzone waren die Lettgallen, Semgallen und die Seler. Die Kuren sind sprachlich-kulturell nicht nur eine Determinante der lettischen Ethnie, sondern haben auch auf die Sprachstrukturen des verwandten Litauisch eingewirkt. Der nordwestliche Dialekt des Litauischen, das Žemaitische (Samogitische), unterscheidet sich vom Aukštaitischen mit seinen archaischen Eigenheiten durch eine progressivere Sprachentwicklung. In dieser Hinsicht ähnelt das Žemaitische dem Lettischen, das im Unterschied zum aukštaitischen Litauisch einen entwicklungsmäßig jüngeren Sprachzustand des Baltischen repräsentiert.

Das Kurische stand nicht nur in Kontakt zu verwandten baltischen Sprachvarianten, sondern auch zu nichtbaltischen Sprachen. Im 9. und 10. Jh. unterhielten skandinavische Wikinger Stützpunkte im Siedlungsgebiet der Kuren und preußischen Samländer. Zu den unmittelbaren Nachbarn der Kuren gehörten auch die Liven. Während sich die Sprache dieses ostseefinnischen Volks, das Livische, bis heute erhalten hat (15 aktive Sprecher nach der Zählung von Eduard Vääri im Jahre 1995), haben sich die Kuren schon vor längerer Zeit assimiliert. Bis 1945 wurde Kurisch noch vereinzelt in den Dörfern auf der Kurischen Nehrung gesprochen.

Ein Dialekt des Kurisch wurde die Fischersprache im kurischen Haff. Die Fischer auf See sprachen untereinander noch (ihr) Kurisch, aber zu Hause im Dorf wurde i.d.r. Deutsch gesprochen. Dieses „Nehrungskurisch“ unterschied sich vom Altkurisch.

1945 sprachen mindestens 245 Familien noch kurisch. Nach Vertreibung durch die Russen starb die Sprache langsam aus. 2002 waren noch 7 Sprecher bekannt, 2007 verstarb der letzte (Richard Pietsch), der noch ein Wörterbuch verfasste. Seltene Exemplare findet man eventuell im Antiquariat.

  1. Literatur

Senn A. 1966: Handbuch der litauischen Sprache (21–52: Erläuterungen zur Frühgeschichte der Balten und den Verwandtschaftsbeziehungen der baltischen Sprachen untereinander). Heidelberg.
Thunmann J. 1772: Untersuchungen über die alte Geschichte einiger Nordischer Völker. Berlin (Nachdruck mit Vorwort von H. Haarmann, Hamburg 1979).
Paul Kwauka/Richard Pietsch 1987: Kurisches Wörterbuch (mit einer Einführung von Prof. Dr. Erich Hofmann). Verlag Nordostdeutsches Kulturwerk

Harald Haarmann

Veröffentlicht in Balten und Kuren.

Ein Kommentar

  1. Es sollte lediglich deutlich klar gestellt werden, das Nehrungskurisch mit dem eigentlichen Altkurisch wenig gemeinsam hat. Nehrungskurisch sei sprachlich entweder eine Varietät zu, oder Dialekt zu dem Lettischen, wobei ich selbst nicht vermag das akkurat einzuschätzen.

    Nehrungskurisch soll sich aber durch Kuren im Zuge der Assimilierung herausgebildet haben. Die meisten Sprecher bis 1945 waren jedoch in der Regel Prußischer, Litauischer aber auch Deutscher Abstammung, insbesondere weil die Sprache eben als Fischereisprache überlebt hatte und somit generell von Menschen erlernt wurde welche in die Fischerei an den Nehrungen „einwanderten“. In dem Sinne wurde es selten als wortwörtliche „Muttersprache“ weitergegeben.

    Immanuel Kant, zwar erlernte er das Nehrungskurische nie aber er sei oft in Fischerdörfern an der Nehrung eingekehrt und fühlte sich offenbar kulturell verbunden da seine Väterliche Linie Kurisch gewesen sein soll, wobei der Name „Kant“ auch auf Prußische Wurzeln schließen lässt.

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